
VIX-ETF als Crash-Absicherung?
Nachdem in der Corona-Krise die Aktienmärkte einen dramatischen Crash erlebten, fragen sich viele Anleger, ob man mit einem Investment in den VIX-ETF (z.B.: ISIN: LU0832435464, WKN: LYX0PM) an einem Crash am Aktienmarkt profitieren kann, oder diesen als Absicherung für bestehende langfristige Aktienanlagen nutzen kann. Zunächst einmal sehen wir uns dazu an, wie der VIX-Index berechnet wird.
Berechnung des VIX-Index:
Grundlage ist ein Basket an realen, beobachteten Aktienoptionspreisen, aus denen man die implizite Volatilität als gewichteten Durchschnitt bildet. Aktienoptionspreise (gemessen an der Volatilität) steigen in 75%-80% der Fälle dann an, wenn der generelle Aktienmarkt nachgibt. Bei steigenden Aktienkursen lässt die Volatilität tendenziell nach. Diese inverse Relation zwischen Aktienkursen und Volatilität liegt sogar weniger am mathematischen Optionspreismodell als am realen Markt von Optionskäufern und Optionsverkäufern. Da die meisten Akteure am Aktienmarkt „Long“ in Aktien sind, steigt der Bedarf an Absicherung (d.h. viele Akteure wollen Put-Optionen kaufen) bei fallenden Kursen stark an – und die Optionsverkäufer können höhere Prämien (gemessen und berechnet dann als implizite Volatilität) für die angebotenen Optionen verlangen. Sobald eine Gegenbewegung im Aktienmarkt einsetzt, sinkt in der Regel die Nachfrage nach Optionen und damit die Optionsprämien – und damit als folge die im VIX-Index gemessene Volatilität.
Da der VIX-Index ein Derivat ist, kann man als Investor nicht direkt in den VIX-Index anlegen. Jedoch werden Terminkontrakte auf den VIX zwischen Käufern und Verkäufern rege gehandelt. Dementsprechend können die angebotenen VIX-ETFs nur in VIX-Futures investieren und bilden somit nicht den VIX-Index nach, sondern einen Wert der sich aus dem ständigen Rollen von einem „front-month“ Future in den nächsten „front-month“ ergibt. Dabei kauft der VIX-ETF nach einer festgelegten Formel z.B. immer den als nächstes fälligen VIX-Terminkontrakt, hält diesen bis kurz vor die Fälligkeit, verkauft diesen dann und engegiert sich im nächsten „front-month“ Future. Demnach besteht ein erheblicher Unterschied im Kurs des VIX-ETF und des VIX-Index, der in den Finanzzeitungen quotiert ist.
Längerfristiger Vergleich VIX-Index und VIX-ETF:
VIX-Index
Quelle: www.tradingview.com
Lyxor VIX-ETF:
Quelle: lyxoretf.de
Im Chartvergleich von ETF und VIX-Index sieht man deutlich, dass man mit einer Anlage in einen VIX-ETF auf längere Sicht auch dann verlieren kann, wenn der Kurs des VIX-Index seitwärts läuft oder sogar leicht ansteigt. Das kann dann an den ungünstigen “Roll-Kosten” liegen, da das Underlying des VIX-ETF eben der VIX-Future ist. So kann z.B. der VIX-Future Lieferung in einem Monat bei 12% stehen, jener für Lieferung in zwei Monaten aber bei 14%. Der ETF ist meistens im sog. „front month“ Future investiert und „rollt“ an einem bestimmten Stichtag in den nächsten Future (d.h. er verkauft den alten Monat und kauft den neuen Monat). Ist der momentane VIX-Index (Cash-Basis oder Spot- Basis) sehr tief (z.B. bei 10%) , so ist die Erwartung der Marktteilnehmer oft ein „reversion to the mean“, d.h. dann könnte der VIX-Future für Lieferung in 3 Monaten bei 15% stehen. Sind dann z.B. 3 Monate vergangen und sollte die Volatilität jedoch nicht angestiegen sein, würde dieser Future dann auch bei 10% wieder stehen. Dadurch entstehen Verluste in den Futurespreisen, obwohl der Cash-Index, der in den Zeitungen quotiert ist, unbewegt ist. Der ETF spiegelt durch sein ständiges Rollen in den “front-month“ Future diese ungünstige Bewegung wieder.*
Daher genügt es für Anleger nicht, den VIX-ETF bei einem niedrigen Stand des VIX-Index einzukaufen und auf den Crash am Aktienmarkt zu warten, in der Erwartung dass der VIX-ETF diese Bewegung ohne Rollkosten mitmacht. Um mit dem VIX-ETF Geld an einem Aktiencrash zu verdienen (oder um diesen als Absicherungsinstrument zu nutzen), muss das Timing eben auch einigermaßen stimmen. Je nach Lage und Verhältnis der VIX-Futures Preise, sollte der Einbruch am Aktienmarkt, auf den spekuliert wird, zumindest auf einige Quartale genau vorhergesehen werden, um mit dem VIX-ETF gewinnen zu können. Wie bei den meisten ETFs, die Rohstoff-Futures als Underlying haben funktioniert ein längerfristiges reines „Buy and Hold“ aufgrund der Rollverluste hier eher nicht.
*ein umgekehrter Fall wäre auch denkbar – dass der VIX-Cash-Index z.B. bei 70% steht, die Futures jedoch schon eine deutlich sinkende Volatilität einpreisen, z.B. Lieferung in 3 Monaten stünde bei 35%. Sollte der VIX-Index dann relativ hoch bleiben, dann entstünden sog. “Roll-Gewinne” im VIX-ETF. Man sieht dies im Chartvergleich im Zeitraum des Corona-Crashes: der VIX-Index gab viel deutlicher nach als der VIX-ETF.