
Kann der deutsche Immobilienboom anhalten?
Vor rund 10 Jahren, mitten in der globalen Finanzkrise 2008/09, waren nur sehr wenige Investoren am Kauf deutscher Wohnimmobilien interessiert. Die Preise waren seit Mitte der 90er Jahre seitwärts oder rückläufig und die Leerstände waren hoch. Oberflächlich betrachtet sah auch die Demografie nicht viel besser aus, und die Einwanderung aus süd- und osteuropäischen Staaten war damals kein großes Thema. Darüber hinaus begünstigte (heute immernoch) das deutsche Mietrecht die vielen Mieter, da mehr als die Hälfte der Bevölkerung ihre Immobilien mieten.
Dennoch waren die Bedingungen für steigende Immobilienpreise damals reif:
- Die Bautätigkeit war mit weniger als 200.000 Einheiten pro Jahr sehr gering, viel weniger als die geschätzte Nachfrage von etwa 300.000 bis 380.000 Einheiten pro Jahr. Die Bautätigkeit ging seit dem Bauboom nach der Wiedervereinigung Mitte der 90er Jahre von einem Höchststand von über 600.000 Einheiten pro Jahr zurück.
- Während die Demografie an der Oberfläche schlecht aussah, gewannen die größeren, attraktiveren Städte immer noch Einwohner, und der Trend zu weniger Menschen pro Haushalt und mehr Wohnraum pro Einwohner bedeutete eine immer noch steigende Nachfrage in attraktiven Städten.
- Nach den „Schröder“ – Reformen auf dem Arbeitsmarkt und dem enormen inflationären Boom in den südlichen und östlichen EU-Staaten ab den 2000er Jahren war Deutschland im Vergleich zum übrigen Europa sehr wettbewerbsfähig und stand kurz vor einer wirtschaftlichen Outperformance, angetrieben von der Exportindustrie (auch infolge des schwachen Euro).
- Die Immobilienpreise sowie die Mieten waren vergleichsweise niedrig – z.B. im Vergleich zum Einkommensniveau oder im Vergleich zu den Verbraucherpreisen.
- Die Zinssätze wurden während der Finanzkrise stark gesenkt und mussten für einen längeren Zeitraum niedrig bleiben, um die überschuldeten südlichen Staaten der EU zu unterstützen
- Die Stimmung auf dem Immobilienmarkt war sehr pessimistisch, insbesondere nach den schlechten Erfahrungen mit den ostdeutschen Immobilien Mitte der 90er Jahre und der langjährigen Underperformance der Immobilien seitdem.
Diese Bedingungen bedeuteten einen Käufermarkt und viele gute Immobilien konnten zu ermäßigten Preisen mit anfänglichen Mietrenditen von 5-8% gekauft werden.
Seitdem sind die Kaufpreise um etwa 100% gestiegen und die Mieten verteuerten sich in den meisten Großstädten um 30-60%. Nach dem starken Anstieg sind die Immobilienpreise im Vergleich zu historischen Normen ziemlich hoch.
Wie oben erwähnt, war es eine Kombination von Faktoren, die zu den derzeit boomenden Bedingungen auf dem deutschen Immobilienmarkt führten, nämlich:
- Niedrige Zinsen
- Eine überdurchschnittliche Entwicklung (im Vergleich zu den südlichen EU-Staaten) der deutschen Wirtschaft
- Einwanderung aus der südlichen und östlichen EU
- Mangel an Bautätigkeit (der Bau hat sich deutlich belebt, liegt aber mit 300.000 Einheiten pro Jahr immer noch hinter dem Wachstum der aktuellen Nachfrage zurück)
Die heutige Marktlage ist also genau das Gegenteil von vor 10 Jahren. Damals wollten beispielsweise Erbengemeinschaften die geerbten Immobilien schnell verkaufen und den Erlös woanders investieren. Momentan halten die meisten Menschen an ihren Immobilien fest und zitieren sogar zukünftige Generationen, die „vielleicht eines Tages eine Wohnung brauchen“. Darüber hinaus verkaufen sich Immobilien auch an weniger begehrten Lagen gut und können oft sogar an den Meistbietenden versteigert werden. Die momentan erzielbaren Mietrenditen sind viel weniger attraktiv. Einige Städte (wie München) bieten weitaus weniger als 3% Bruttoanfangsrenditen.
Da viele vermögenden Privatinvestoren Immobilien besitzen und viele Investoren potentiell an Immobilien interessiert sind, die in diesen Aufwärtrtrend investieren wollen, stellt sich die Frage, ob und wie lange diese boomenden Bedingungen anhalten werden.
Während viele Modelle (insbesondere die rosigen Prognosen von Immobilienmaklern und Bauherren) nur einige Trends und Annahmen linear extrapolieren, durchlaufen Immobilienpreise – wie viele andere Anlageklassen – lange Zyklen. Selbst der bullischste Investor muss dies anerkennen.
Reale (inflationsbereinigte) Immobilienpreise zeigen ein zyklisches Verhalten und kehren immer wieder zu langfristigen Mittelwerten zurück.
Derzeit steigen die Preise um 5-10% p.a. und damit schneller ist als die Mieten oder die Einkommen, eine Situation, die auf lange Sicht nicht nachhaltig ist.
Um die langen Zyklen zu sehen, die Immobilienpreise häufig durchlaufen, kann man sich die realen US-Immobilienpreise (bereinigt um die offiziellen Inflationsraten) seit den 1970er Jahren ansehen:
Während die EZB (und die US-Notenbank) kürzlich wieder damit begonnen haben, die Zinssätze zu senken, und die Hypothekenzinsen in Deutschland auf Rekordtiefs gefallen sind, hat sich die deutsche Wirtschaft mit ihrem dominierenden Automobilsektor in den letzten Quartalen entscheidend verlangsamt (das verarbeitende Gewerbe befindet sich bereits in einer Rezession).
In unserer Publikation „PVI – ETF Portfolio“ werden wir die wichtigsten preisbeeinflussenden Faktoren erläutern und die mittel- (1-3 Jahre) und langfristige (3-10 Jahre) Preisentwicklung prognostizieren; für den deutschen Immobilienmarkt und andere wichtige Anlageklassen. Interessierte Leser und Immobilieninvestoren können diese Publikation in unserem Shop abonnieren.
Quellen:
Bank for International Settlements, Real Residential Property Prices for United States [QUSR628BIS], retrieved from FRED, Federal Reserve Bank of St. Louis; https://fred.stlouisfed.org/series/QUSR628BIS, September 8, 2019.
Bulwiengesa Immobilienpreisindex: https://blog.bulwiengesa.de/chart-des-monats/februar-immobilienindex-2018-zeigt-anhaltende-knappheit